Eine tolle Nacht

Deutschland 1927, 83 Minuten | HD-s/w-restaurierte Fassung

Berlin. Berlin.

Eine tolle Nacht entstand nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Wilhelm Mannstädt und Julius Freund, das 1895 eigens für das Central-Theater in Berlin geschrieben wurde. Ein klassischer Lustspiel-Stoff, dessen heimlicher Star Berlin selbst ist. Die Schauplätze der Theaterversion wurden nahezu unverändert übernommen: Die Straßen von Berlin, der Zirkus, der in der Verfilmung kurzerhand zum Varieté wird, ein Restaurant mit kleinen, intimen Séparées und das Polizeirevier, in dem Pieper einen beträchtlichen Teil der ‚tollen Nacht‘ verbringt. Die Zwischentitel verfasste der österreichische Schauspieler und Komiker Paul Morgan.Richard, der Film hatte am 21.01.1927 im Berliner Alhambra-Kino Premiere.


Eine Tolle Nacht ist eine Komödie um einen Geschäftsmann aus der Provinz, Florian Pieper (Harry Bender), der im Berliner Nachtclub ‚Scala‘ zu einem Show-Ringkampf antreten soll. Dazu hat ihn sein Sportclub aus Essig-an-der-Gurke bestimmt. Bis es zum Sieg über den starken Gegner auf der Bühne kommt, hat der gewiefte Herr Pieper einiges zu erledigen. Sein eigentliches  Interesse gilt der Varieté Tänzerin Margot (Ossi Oswalda), die mit dem eifersüchtigen Artisten Edouardo Bonaventura (Harry Liedtke) verlobt ist und die ebenfalls in der ‚Scala‘ auftritt. Auch Florians Frau hat sich heimlich auf den Weg nach Berlin gemacht, um ihren Bruder zu besuchen – dabei handelt es sich ausgerechnet um Eduardo! Wie zu erwarten, entstehen aus dieser Konstellation die verrücktesten Verwicklungen, die den guten Florian zum Schluss auf die Polizeiwache bringen, wo er auf Wachmeister Lehmkuhl (Kurt Gerron) trifft, der Vaterfreuden entgegen sieht. Florian wird aus der Haft entlassen, nachdem Lehmkuhl Vater von Vierlingen geworden ist.  Als der Club in den frühen Morgenstunden schließt, sind alle Paare wieder glücklich vereint – nach einer tollen Nacht in der ‚Scala‘.

Die neue Musik von Frido ter Beek mit Maud Nelissen und The Sprockets für Eine Tolle Nacht führt mitten hinein in die Musikszene Berlins der 1920er Jahre und erweist dem deutschen Film- und Schlagerkomponisten Fred Raymond (1900-1954) ihre Reverenz. Raymond war zu seiner Zeit sehr populär, er schrieb Evergreens wie ‚In einer kleinen Konditorei‘ oder ‚Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche‘ und war zusammen mit Austin Egen (1987-1941) der Komponist des Stücks ‚Eine Tolle Nacht‘, das als musikalische Einlage zum Film gespielt wurde. Die neue Filmmusik knüpft in ihrer Verve und Ironie an dieses Stück – und überhaupt an den Stil von Fred Raymond - an und stellt mit ‚Gott sei Dank, heut bin ich ledig‘ (1927) oder ‚Es muss nicht Hummer sein mit Mayonnaise‘ (1930)‘ wunderbare Songs vor, die heute noch durch ihren Wortwitz und Humor begeistern. Frido ter Beek und Maud Nelissen sind passionierte Musiker mit langer Bühnen- und Konzerterfahrung. Aus dieser Praxis heraus entstand ihre Musik, die souverän zwischen der Unterhaltungsmusik der 1920er Jahre und dem Swing und Jazz jüngeren Datums changiert. Mit der neuen Musik nimmt die Filmkomödie noch einmal richtig Fahrt auf und lässt dem Publikum die Qual der Wahl, wer die bessere Performance liefert: die virtuosen Sprockets mit ihrem starken Bläsersatz und den fein ziselierten Solo-Instrumenten – oder der Film, der nach langen Jahren wieder zu sehen ist und ein Stück authentische Berliner Unterhaltungskultur zurückbringt.

Eine tolle Nacht

Filmmusik für kleines Ensemble von Frido ter Beek (2019) zum gleichnamigen Film von Richard Oswald (1927).

Besetzung THE SPROCKETS:

Daphne Balvers (Sopransaxophon)  Frido ter Beek (Tenorsaxophon)  Marco Ludemann (Banjo / Jazz Guitar / Mandoline)  Peter Keijsers (Posaune / Sousaphon)  Jasper Somsen (Kontrabass) Rombout Stoffers (Percussion, Glockenspiel / Xylophon / Akkordeon / Gesang)  Maud Nelissen (Piano / Triangel)

Frido ter Beek

Saxophonist und Komponist, stammt aus den Niederlanden und lebt seit 2015 in Buenos Aires. Er studierte klassisches Saxophon am Konservatorium in Utrecht und anschließend Jazz bei Ferdinand Povel am Konservatorium Hilversum (jetzt Amsterdam). In Buenos Aires gründete er sein eigenes Jazz-Quartett, spielt in verschiedenen Gruppen und unterrichtet in Avellaneda (Argentinien) und  Montevideo (Uruguay).

Regelmäßig kommt er in die Niederlande und arbeitet mit seinen Stamm-Ensembles, dem Koh-I-Noor Saxophon Quartett, und The Sprockets. Daneben spielt er mit hochkarätigen Künstlern, Theatergruppen und Orchestern wie dem Clazz Ensemble, Dutch Jazz Orchestra, Independance, Harry Sacksioni, Stef Bos, New Standard Trio, One Armed Octopus oder Simply Jazz. Als Solist am Altsaxophon spielt er in der Charli Green Big Band und arbeitet als Dirigent von Big Bands.

Komposition wird für seine künstlerische Arbeit zunehmend wichtig. Frido ter Beek schrieb mehrere Stücke für das Saxophon Quartet Koh-I-Noor, wie auch für das Sirius Saxophon Quartett, Clazz Ensemble (kleine Bigband) und diverse Duos (Cabezaz-Bavio, Imaginaire, Koleva-van Otterloo,  Company Canton Cuypers). Er komponierte einige Filmmusiken, u.a. für einen Film von Louis Gasteren,  für Murnaus letzten Film ‘Tabu’ (i. A. des Arka Symphony Orchestra) und für sein Stamm-Ensemble The Sprockets.

Die holländische Musikerin Maud Nelissen war eine der ersten Frauen, die in die lange Zeit männlich dominierte Riege der Stummfilm-Pianisten einbrach. Heute zählt sie zu den international bekannten Größen der Stummfilmmusik und ist auf allen großen Filmfestivals in Europa, USA und Asien zu erleben.

Sie absolvierte eine Ausbildung als klassische Konzertpianistin an der Hochschule für Musik in Utrecht bei Herman Uhlhorn, die sie mit Auszeichnung abschloss. Eine weitere wichtige Erfahrung war für sie die Zusammenarbeit mit Charlie Chaplins letztem Arrangeur Eric James in Italien. Neben Soloauftritten komponiert und arrangiert Maud Nelissen Stummfilmmusiken für Orchester und verschiedene Ensembles. Zu ihren bekanntesten Arbeiten gehören die Musik für ‚The Patsy‘ (USA 1925, King Vidor) und ‚The Merry Widow‘ (USA 1925, Erich von Stroheim) – nach Franz Léhars gleichnamiger Operette.

Sie gründete vor 15 Jahren das Stummfilm-Ensembles The Sprockets. Das Wort Sprockets bezeichnet im Englischen die Transportrolle im Filmprojektor, die den Film vorantreibt.  Mit The Sprockets präsentierte Maud Nelissen letztes Jahr auf den Ufa-Filmnächten ihre Filmmusik für ‚Die Apachen von Paris‘ (D 1927, Nikolai Malikoff). Neben ihrer Arbeit mit The Sprockets tritt Maud Nelissen mit weiteren Ensembles und Orchestern  auf, wie dem Wiener Kammerorchester, Orchestra del Teatro Comunale di Bologna oder Cello8ctet Amsterdam. 2008 gab sie ihr US-Debüt beim Telluride Film Festival in Colorado, gefolgt von einem erfolgreichen Auftritt beim Turner Classic Movies Film Festival in Hollywood (2011).

Richard Oswald wurde 1880 in Wien geboren. Er begann eine Karriere als Schauspieler in Wien, bevor er 1914 erstmals als Regisseur arbeitete und 1916 seine eigene Produktionsfirma, die „Richard Oswald-Film GmbH“ gründete. Oswald galt als Begründer des sogenannten Aufklärungsfilms. Er behandelte in seinen Werken häufig Tabuthermen, wie Homosexualität, Schwangerschaftsabbruch oder Geschlechtskrankheiten. Viele diese, meist in den späten 1910er Jahren entstandenen Filme wurden stark zensiert. Nach einer Phase von eher erfolglosen Klassikverfilmungen inszenierte Oswald in den 1920er Jahren viele Genre-Filme. Ab 1926 arbeitete er für die Nero-Film, die er zusammen mit Heinrich Nebenzahl gegründet hat. Neben leichten Stoffen (‚Im weißen Rössl‘, 1926) und Altbewährtem (‚Der Hund von Baskerville‘, ‚Frühlings Erwachen‘, beide 1929) griff er mit ‚Feme‘ (1927), einem Film über die Ermordung Walter Rathenaus, auch politisch brisante Themen auf. 1930 inszenierte er seinen ersten Tonfilm ‚Wien, du Stadt der Lieder‘. Mit Beginn des NS-Regimes floh Richard Oswald 1933 zunächst nach Paris, um später mit seiner Frau und ihren gemeinsamen Kindern in die USA zu emigrieren. In Amerika drehte er drei Filme, konnte jedoch nicht an seine früheren Erfolge anknüpfen. Während eines Besuchs in Deutschland erkrankte Oswald und verstarb am 11. September 1963 in Düsseldorf.


Credits

  • Regie:
    Richard Oswald
  • Drehbuch:
    Richard Oswald, Paul Morgan
  • Kamera:
    Otto Kanturek, Edgar S. Ziesemer 
  • Schaupieler:
    Harry Bender (Florian Pieper, Insektenpulverfabrikant aus Essig an der Gurke), Ossi Oswalda (Margot Olschinsky, Varieté-Tänzerin), Harry Liedtke (Odoardo Bonaventura, Varieté-Künstler), Ferdinand Bonn (Ruhesanft, Küster), Paul Graetz (Pille, Apotheker), Kurt Gerron (Wachmeister Lehmkuhl) u.v.a.
  • Restaurierung (2019):
    Deutsches Filminstitut und Filmmuseum
  • Musik (2019):
    Frido ter Beek (Auftragswerk von ZDF in Zusammenarbeit mit Arte)
  • Redaktion:
    Nina Goslar
  • Produzent:
    Thomas Schmölz (2eleven music film)

Studioproduktion mit The Sprockets Filmorchestra

Stummfilmklassiker von Arte -

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