Mister Radio

Deutschland 1924, 78 Minuten | HD-s/w-restaurierte Fassung

Mister Radio entstand 1924 unter der Regie von Nunzio Malasomma, mit Sensationsfilmstar Luciano Albertini in der Hauptrolle. Für Malasomma war es die erste Regiearbeit in Deutschland nach seiner Emigration aus Italien. Für Albertini war es der erste Dreh nach einem Abstecher in die USA, zu Universal Pictures.

Die Außenaufnahmen des von der Phoebus Film A.G. produzierten Sensationsfilms fanden an Schauplätzen im Elbsandsteingebirge bei Rathen statt, im Frühjahr 1924. Die Uraufführung erfolgte am 5. September 1924 anlässlich der Neueröffnung des Bafag-Theaters am Ku'damm in Berlin.


Der junge Gaston de Montfort, genannt ‚Mr. Radio‘, arbeitet in seinem Labor in der Sächsischen Schweiz an einer verrückten Erfindung, mit der er die Kollision von Zügen verhindern will. ‚Mr. Radio‘ ist auch ein versierter Bergsportler, und so kommt es, dass er eines Tages eine Gruppe von in Bergnot geratenen Touristen bei ihrer waghalsigen Klettertour rettet. Prompt verliebt er sich dabei in Marion, die Tochter von Bankier Swalzen. Aber auch Marions Gesellschaftsdame Edy hat ein Auge auf den athletischen Erfinder geworfen. Sie will ihm bei der Finanzierung seiner Arbeit helfen und bittet Bankier Swalzen, der seinerseits Edy verehrt, um Geld. Der große Tag kommt, an dem ‚Mr. Radio‘ seine Erfindung in einem Experiment mit zwei Lokomotiven erfolgreich demonstriert; einer Hochzeit mit Marion steht nichts mehr im Weg. Kurz darauf offenbaren sich aber die kriminellen Machenschaften von Bankier Swalzen, der Gastons Vater betrogen hat und ermorden ließ. Ein halsbrecherischer Show-Down über Dächer und Felsen beginnt, bis sich schließlich auch die verworrenen erotischen Verhältnisse klären und Edy endlich den attraktiven Gaston küssen darf. Die Hauptrolle spielt der zu seiner Zeit populäre Sensationsdarsteller Luciano Albertini, der auch hier in spektakulären Kletterszenen zu sehen ist.

Am 7. August 1924 erteilte die Film-Prüfstelle Berlin dem Film mit einer Länge von 1.902 m die Zulassung, eingeschränkt durch "Jugendverbot". Von MISTER RADIO blieb einzig eine zeitgenössische Kinokopie aus dem österreichischen Filmvertrieb erhalten. Sie wird seit 1983 im Österreichischen Filmmuseum in Wien bewahrt, Teil einer Sammlung von Filmkopien des Verleihers "Waldmüllers Alpenländische Filmzentrale, Innsbruck". Das Nitrozellulose-Original ist viragiert, weitgehend vollständig und in gutem Erhaltungszustand, mutmaßlich in ursprünglicher Schnittfolge.

In der 1.699 m langen Filmkopie sind 98 Zwischentitel enthalten, überwiegend in originaler Gestaltung. Sie entsprechen in Wortlaut und Abfolge der im Bundesarchiv bewahrten deutschen Zulassungskarte. Der Haupttitel, ein Vorspanntitel und 5 Zwischentitel fehlen. Ebenso sind 9 der 10 Aktanfangs- und Aktendetitel nicht mehr original, sondern wurden durch Titel aus anderen Kopien ersetzt.

Im Auftrag von ZDF in Zusammenarbeit mit Arte schreibt der Mainzer Komponisten Bernd Thewes eine neue Filmmusik (es ist keine Originalmusik überliefert) für Orchester und Jazzcombo. Er beschäftigt sich schon lange mit Stummfilm-Musik und hat Schlüsselwerke der klassischen Filmmusik rekonstruiert.

Die Aufnahmen finden im September 2021 in Kooperation mit dem MDR Sinfonieorchester statt. Die Leitung hat der Dirigent Frank Strobel.

Mister Radio

Filmmusik für Orchester von Bernd Thewes (2021)

Besetzung:

2(2. auch Pic.).2(2. auch Engl.Hn).2(1 auch ASax, 2. auch BKla).2(2. auch KFg) - 3 .2(2nd also Flhn).2.1 - 1 Pk, 1 Drum set (BD, SD, 3Tom, HiHat, 2Cymbals, Cowbells etc.), 2 Schlgz, 1 stage piano (88 keys, Samplesounds: E.Bass-Hammond Organ), 1 Harfe -  Streicher (8.6.4.3.2)

Der Komponist Bernd Thewes

Bernd Thewes (*1957) studierte Schulmusik in Saarbrücken und Musikwissenschaften in Mainz. Sein Oeuvre umfasst Kompositionen für Solo- und Orchesterbesetzungen, radiophone Projekte, Oper, Klanginstallation und Filmmusik. Er arbeitet mit führenden Solisten der Neuen Musik wie Dirk Rothbrust, Dietmar Wiesner oder Irmela Roelcke, Für das ARTE-Stummfilmprogramm realisierte er mehrere Neukompositionen (für Filme von Hans Richter und Carl Th. Dreyer) sowie Bearbeitungen historischer Filmmusiken, die international einen neuen Maßstab in der Instrumentierung und Bearbeitung historischer Originalmusiken gesetzt haben: Der Rosenkavalier von Richard Strauss (1926), Sprengbagger 1010 (1929) von dem Schönberg-Schüler Walter Gronostay, Berlin, die Sinfonie der Großstadt (1927) und Oktober (1928) von Edmund Meisel sowie Der Student von Prag (1913) von Josef Weiss. Mit der Rekonstruktion der Premierenmusik des Abel Gance-Films La Roue (F 1923) hat Bernd Thewes die längste Filmmusik der Stummfilmgeschichte rekonstruiert: 7 Stunden Musik, die in einer deutsch-französischen Doppelpremiere in Berlin und Lyon 2019 international beachtete Resonanz erfuhr.

1894 im italienischen Caserta geboren, brachte seine journalistische Ausbildung ihn zur Gründung der Film- und Theaterzeitschrift „Fortunio“. So kam er Anfang der 1920er Jahre zunächst als Drehbuchautor zum Film. 1923, mit Mussolinis Machtergreifung, verließ Malasomma sein Heimatland, um in Deutschland zunächst weiter Drehbücher zu schreiben. In deutsch-italienischen Produktionsteams arbeitete er an der Seite von Persönlichkeiten wie dem italienischen Regisseur Gennaro Righelli oder dem deutschen Schauspieler Heinrich George. Ab 1924 inszenierte er eine Reihe von Sensations- und Actionfilmen, bei denen er die Hauptrollen vorwiegend mit italienischen Stars und vor allem mit Luciano Albertini besetzte. Nicht zuletzt wegen seiner Erfahrung als Sensations- und Actionregisseur schien Malasomma prädestiniert als Regisseur bei dem Hochgebirgsdrama "Der Kampf ums Matterhorn" (1928; zusammen mit seinem Landsmann Mario Bonnard), bis er mit Beginn des Tonfilms nach Italien zurückkehrte. Malasomma blieb dem deutsch-italienischen Filmschaffen allerdings weiter treu. 1941 drehte er VOM SCHICKSAL VERWEHT, seinen letzten Film in Deutschland. In Italien war er noch bis zum Ende der 1960er Jahre mit der Regiearbeit in Sandalenfilmen und Italowestern aktiv.

1882 als Francesco Vespignani in Lugo di Romagna geboren, war der athletische Albertini zunächst Zirkusartist und Sportlehrer. Der Zirkuswelt ist er lange treu geblieben: Gemeinsam mit seiner Frau Domenica Meirone gründete er in Frankreich die Trapeznummer „les Albertini“. Mit Beginn des 1. Weltkriegs kehrt Albertini nach Italien zurück, um in der Figur des „Muskelmannes“ in Zirkus- und Historienfilmen mitzuspielen, wodurch er schnell an Popularität gewann. 1918 gründete er „Albertini film“, seine eigene Produktionsfirma, in der er an der Seite seiner Zirkus-Kolleginnen und Kollegen zum Gesicht des Abenteuerfilms wird. In ihrer Begleitung geht Albertini Anfang der 1920er Jahre nach Deutschland, wo es ihm erneut gelingt, sich mit einer eigenen Produktionsfirma zu etablieren. Aufgrund ihres athletischen Talents werden Albertini und seine Begleiter/innen zu den gefragtesten Gesichtern des deutschen Sensationsfilms. Unter der Regie von Joseph Delmont bietet Albertini spektakuläre Stunts in Filmen wie DER KÖNIG DER MANEGE, DIE EISERNE FAUST, DIE TODESLEITER, DER MANN AUS STAHL oder JULOT, DER APACHE. Häufig stand Edoardo Lamberti hinter der Kamera, wenn Albertini sich davor schwang. Nach seinem Intermezzo in Hollywood arbeitete Albertini in Deutschland überwiegend mit Nunzio Malasomma. Die beiden verband eine lange Zusammenarbeit, der auch MISTER RADIO entstammt. Den Übergang zum Tonfilm überlebte Albertinis Karriere nicht. Mitte der 1930er Jahre kehrt er mit psychischen Problemen in sein Heimatland zurück, wo er 1945 in einer Nervenklinik stirbt.


Credits

  • Regie:
    Nunzio Malasomma
  • Drehbuch:
    Ernest Bouthley, Nunzio Malasomma
  • Kamera:
    Willy Großstück, Eduardo Lamberti
  • Schaupieler:
    Luciano Albertini (Gaston de Montfort), Evi Eva (Marion), Magnus Stifter (Joe Swalzen, Bankier, ihr Vater), Fred Immler (Girondin, sein Sekretär), Agnes Nero (Gräfin Jeanne de Montgort, Gastons Mutter), Annie Gorilowa (Edy Duflos) u.v.a.
  • Restaurierung (2021):
    DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Österreichisches Filmmuseum
  • Musik (2021):
    Bernd Thewes (Auftragswerk von ZDF in Zusammenarbeit mit Arte)
  • Redaktion:
    Nina Goslar
  • Produzent:
    Thomas Schmölz (2eleven music film)

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